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Mitglieder des Deutschen Bundestags und der französischen Nationalversammlung
werden am 22. Januar 2003 in einem aus 900 Samtsesseln bestehenden
„hémicycle", der im „Prinzenflügel" des Schlosses von Versailles
liegt, zur Feier des Elysée-Vertrages von 1963 zusammenkommen. Der
Präsident der französischen Nationalversammlung, der Gaullist Jean-Louis
Debré, wird hier Mitglieder beider Parlamente zur ersten gemeinsamen
Sitzung zusammenführen. Erstmals in der jüngeren französischen Geschichte
wendet sich auch der Staatspräsident direkt an die Abgeordneten.
Er wird mit Bundeskanzler Schröder eine gemeinsame Erklärung verlesen.
Die Feierlichkeiten wurden jedoch von der im Dezember durch die
„BILD"-Zeitung angestoßene Diskussion, die Abgeordneten würden im
Januar zu einer „Paris-Sause" aufbrechen, getrübt. Daher soll die
Feier in den Worten von Parlamentspräsident Debré „bescheiden und
simpel" ablaufen. Die Abgeordneten werden daher mit Bussen ohne
Polizeieskorte anreisen, und sie erhalten als Gastgeschenk auch
nur eine Sonderbriefmarke und eine kleine Gedenkmedaille. Der französische
Gastgeber, der ansonsten Delikatessen nicht verschmäht, hat sich
auch beim „savoir vivre" Bescheidenheit auferlegt. Es wird (daher)
deutschen Weißwein geben. Auf deutschen Wunsch wird auch eine vegetarische
Menüvariante aufgetischt werden. Der Zusammenprall der Esskulturen
könnte deutlicher nicht sein.
Bei
den Feierlichkeiten treffen auch zwei verschiedene parlamentarische
Traditionen aufeinander. Während bei Feierlichkeiten im Deutschen
Bundestag allen Fraktionen ein Rederecht zusteht, sprechen in der
Nationalversammlung bei solchen Anlässen nur Regierungsvertreter.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (15.01.03) kommentiert die Gepflogenheiten
in der Assemblée Nationale mit den Worten „Wer die Mehrheit hat,
führt das Wort".
Das feierliche Essen wird jedoch auch durch den Umstand erschwert,
dass nur wenige deutsche Abgeordnete französisch, und nicht mehr
französische Abgeordnete deutsch sprechen. Immerhin sollen nun aber
die wenigen „Sprachkundigen" beim Mittagessen als „Hilfsdolmetscher"
fungieren. Sie haben die einmalige Möglichkeit die Kommunikation
ihrer Kollegen zu steuern.
Vor dem gedrängten Tagesprogramm werden die Parlamentspräsidien
noch eine „Arbeitssitzung" einlegen. Denn der Bundestag - so wird
berichtet - habe gewünscht, nicht nur „zuzuhören und zu feiern",
sondern auch „zu arbeiten".
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