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DAS DEUTSCH-FRANZÖSISCHE TANDEM,
DIE AUßEN- UND VERTEIDIGUNGSPOLITIK

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Auch wenn die außenpolitische Ausrichtung Frankreichs sich von der Deutschlands unterscheidet, so wurde doch seit 1945 eine wachsende Übereinstimmung erreicht.
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Die französische Außenpolitik hat ihre internationalen Ambitionen bewahrt, die deutsche Außenpolitik hat sich dafür mehr auf die Integration in Europa und generell auf die Westenanbindung hin konzentriert. Nichts desto weniger ist Deutschland seit der achtziger Jahren bestrebt, sich auf dem internationalen Parquet eine Position zu verschaffen, die seiner wirtschaftlichen Stärke Rechnung trägt; so 1992, als Deutschland sich im Rahmen der Reform der UNO um einen ständigen Sitz mit Veto-Recht im Weltsicherheitsrat bemühte. Frankreich hat dieses Bemühen schließlich als legitimes Anliegen unterstützt; trotz alledem scheint die Zeit noch nicht reif für eine Reform der UNO-Institutionen.


Einige geschichtliche Tatsachen wie die ständige Mitgliedschaft Frankreichs im Weltsicherheitsrat, Frankreichs Status als Atommacht seit 1960, sein Rückzug aus der integrierten Kommandostruktur der NATO 1966, sowie die der deutschen Bundeswehr auferlegten Beschränkungen nach dem letzten Krieg sind ursächlich für nach wie vor bestehende Meinungsverschiedenheiten in der Bewertung der internationalen Grosswetterlage und der unmittelbar davon abhängenden Verteidigungspolitik.

Nach dem Ende des kalten Krieges mußte Deutschland sich mit zwei verschiedenen Bestrachtungshorizonten im Bereich der Verteidigungs- und Außenpolitik auseinandersetzen: Jene der USA, welche die Verteidigung im Rahmen der NATO sichert und jene Frankreichs, die versucht eine mit dem deutschen Nachbarn abgestimmte Politik voranzutreiben.
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Trotz des Fehlschlags der Europäischen Verteidigungsunion im August 1954, haben das Abkommen von Paris, das die Westeuropäische Union (WEU) im Oktober 1954 institutionalisierte, und der Eintritt Westdeutschlands in die NATO 1955 es den beiden Ländern gestattet, ihre Außen- und Verteidigungspolitik einander anzunähern.


Die Geburt der Europäischen Wirtschaftgemeinschaft (EWG) mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25.März 1957 markiert einen wichtigen Schritt in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern; trotz seines stark wirtschaftlichen Charakters öffnete der Vertrag den Weg zu einer zukünftigen politischen Annäherung der Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft und vor allem zwischen Frankreich und Deutschland, das dafür schon ein wichtiger Motor war. Und in der Tat manifestierte sich diese politische Annäherung in der Unterzeichnung der einheitlichen europäischen Akte 1986 und dann im Vertrag von Maastricht 1992, der eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Einrichtung einer gemeinsamen Verteidigung (Art. J.4) vorsah.

Frankreich und Deutschland haben sich sowohl bei den Maastrichter Verhandlungen als auch auf der Regierungskonferenz in Turin, die zum Abkommen von Amsterdam im Juni 1997 führte, dafür eingesetzt gemeinsame Vorschläge zu erarbeiten, besonders im Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik.

Die beiden Länder stehen einer größeren politischen Eigenständigkeit Europas, hinsichtlich der GASP, wohlwollend gegenüber. Der gemeinsame Vorschlag im Rahmen der Regierungskonferenz sah dazu die Einrichtung eines „Herrn GASP" vor, ebenso wie die Einführung qualifizierter Mehrheiten bei diesen Fragen. All diese Vorschläge waren dazu konzipiert die mäßigen Ergebnisse der Union im Bereich der Außenpolitik (während des Konflikts in Ex-Jugoslawien beispielsweise) zu beheben, die durch Malfunktionen der Entscheidungsmechanismen und die mangelnde Verlagerung von Entscheidungsbefugnis auf die europäische Ebene hervorgerufen wurden.
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Das deutsch-französische Paar bildet den Kern der europäischen Verteidigungsidentität. Im November 1987 wurde die deutsch-französische Brigade gegründet (5.000 Mann); die damit gemachten positiven Erfahrungen führten 1992 zur Einrichtung des deutsch-französischen Eurocorps, dem sich in der Folge Belgien, Luxemburg und Spanien (50.000 Mann) anschlossen. Auch wenn diese Einheit für Einsätze im Rahmen der NATO geeignet ist, steht sie nicht unter NATO-Kommando. Sie kann auch im Rahmen der WEU eingesetzt werden.


Das Eurocorps wird als Vorreiter einer zukünftigen europäischen Verteidigung eingeschätzt, die sich im Vertrag von Maastricht abzeichnet. Das Eurocorps stellt auch einen der ersten Bausteine einer europäischen Verteidigungsidentität dar. Diese Erfahrungen haben andere europäische Verteidigunginitiativen favorisiert, die auch andere Länder mit einschliessen wie beispielsweise die Euromarfor im Mittelmeerraum oder die französisch-britische Flugstaffel. Die Teilnahme des Eurocorps an internationalen Einsätzen ist künftig möglich aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 12. Juli 1994, wonach das Verbot eines Einsatzes deutscher Soldaten außerhalb Deutschlands bzw. der NATO-Zone teilweise aufgehoben wurde. Dadurch konnte die deutsch-französische Brigade auch ihren Beitrag zur Friedensmission (IFOR) in Bosnien im Dezember 1996 leisten.

In dieselbe Richtung ging 1995 die Schaffung einer deutsch-französischen Rüstungsagentur, die seit November 1996 als europäische Rüstungsagentur unter Einschluß von Großbritannien und Italien entsteht. Wichtigstes Ziel dieser Agentur besteht in der Koordination von Forschung und Bau von Waffen auf europäischer Ebene. Ferner ist eine Restrukturierung der Rüstungsindustrie auf europäischer Ebene zu verzeichnen, um der internationalen Konkurrenz begegnen zu können. Die Unterzeichnung eines Abkommens über den Bau der Spionagesatelliten Elios 2 und Oros im Dezember 1995 zwischen Deutschland und Frankreich, aber auch mit Spanien, und Italien ordnet sich in dieselbe Logik ein.

Das gemeinsame deutsch-französische Verteidigungskonzept, das anläßlich des Gipfels von Nürnberg am 9.Dezember 1996 beschlossen wurde, drückt klar den Willen der beiden Länder aus, eine konzertierte Verteidigung entstehen zu lasssen. Die Erarbeitung eines gemeinsamen strategischen Konzeptes soll eine deutsch-französische Verteidigungsgemeinschaft in europäischer und atlantischer Perspektive etablieren. Bei dieser Gelegenheit haben Jacques Chirac und Helmut Kohl auch ihre gemeinsame Analyse hinsichtlich der NATO-Osterweiterung sowie über die Notwendigkeit einer Neudefinition der Beziehungen zu Rußland abgegeben. Dieses Übereinkommen zeigt deutlich die Verstärkung der deutsch-französischen Beziehungen auf diesem Gebiet; es bringt ebenfalls eine der wichtigsten Übereinstimmungen in den Beziehungen auf diesem Gebiet seit 40 Jahren zum Ausdruck. Tatsächlich hatte der Fehlschlag des militärischen Teils des Elysée-Vertrags von 1963 - trotz der Reaktivierung des deutsch-französischen Sicherheits- und Verteidigungsrates durch Präsident Mitterrand und Kanzler Kohl 1988 - keine Vertiefung des gemeinsamen strategischen Konzepts zwischen beiden Ländern erlaubt.

Der partielle Rückzug der USA aus Europa in den neunziger Jahren sowie die Annäherung zwischen Frankreich und der NATO seit 1995 haben die Konvergenz der Standpunkte zwischen Deutschland und Frankreich begünstigt. Nichtsdestoweniger geschieht diese Annäherung an die NATO nicht ohne Bedingungen von Seiten Frankreichs; in der Tat wünscht Frankreich, daß Europa, dessen Verteidigungsidentität anläßlich des NATO-Treffens am 3. Juni 1996 anerkannt wurde, im Zentrum dieser Organisation verstärkte Verantwortung übernimmt.

So sehr die politische Einigung dazu bestimmt ist, Europa auf internationaler Ebene eine Position zuzuordnen, die seiner wirtschaftlichen Macht entspricht, so macht die Schaffung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik die deutschen und französischen Interessen unauflöslich. Diese 'Gemeinschaft der Sichtweisen' findet ihren verlängerten Arm in der europäischen Einigung, für die sie der wichtigste und unerlässliche Impulsgeber ist.


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