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GESCHICHTE DER DEUTSCH-
FRANZÖSISCHEN BEZIEHUNGEN

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Was für eine Wegstrecke haben die deutsch-französischen Beziehungen auf dem Wege der Versöhnung seit 1945 zurückgelegt! Dies verdanken wir zweifellos dem Werk einiger Männer, die es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges verstanden haben die Idee von Frieden und Wohlstand mit der europäischen Einigung zu verbinden.
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Robert Schuman schlug am 9. Mai 1950 der jungen westdeutschen Bundesrepublik vor „einen Ausgleich von Rechten und Pflichten zwischen den Sieger- und Verlierermächten im Rahmen einer neuen Organisation zu schaffen, die sich auf der Basis der freiwillig übertragenen Souveränität gründen sollte" (Pascal Fontaine): Das Ergebnis davon was die europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die 1951 gegründet wurde. Bundeskanzler Adenauer sah in der Montanunion die Möglichkeit die Bundesrepublik in einem demokratischen Europa zu verankern. Auf diese Weise verwirklichte sich die Hoffnung, daß „wir für die deutsch-französische Union nicht nur unsere Worte, sondern auch unsere Interessen sprechen lassen."


Die Vertiefung der deutsch-französischen Zusammenarbeit erlaubte es, sich aus einer Periode von Zweifeln, vielfach ungelösten Fragen und Mißerfolgen herauszubewegen. Nach der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG), dem Projekt einer europäischen Armee, die in die politischen Instanzen des Vereinigten Europa eingebunden sein sollte, gaben die im Jahre 1957 unterzeichneten Römischen Verträge der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ihr Gesicht.

Trotz des Fehlschlags des gaullistischen Projekts einer europäischen Konföderation (auf Regierungsebene - quasi intergouvernemental - zusammenarbeitende Nationalstaaten) hatte dies keine Auswirkungen auf die Unterzeichnung des Elysée-Vertrages durch Charles de Gaulle und Konrad Adenauer am 22. Januar 1963 in Paris. Dieser Vertrag, dessen Inhalt von manchem als begrenzt eingeschätzt wurde, hatte das Verdienst die deutsch-französische Freundschaft feierlich und offiziell zu besiegeln.


Nichts faßt die Tragweite dieses Vertragswerks besser zusammen als die anschließenden Worte von Präsidenten de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer: „Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der die Bedeutung dieses Vertrages nicht ermessen könnte, nicht nur weil er nach einer so langen und blutigen Geschichte von Kampf und Gefecht eine neue Seite aufschlägt, sondern auch weil er alle großen Tore einer neuen Zukunft für Frankreich, für Deutschland, für Europa und damit auch für die ganze Welt aufstößt" (De Gaulle). „Jedes ihrer Worte entspricht unseren Hoffnungen" (Adenauer).

Der Elysée-Vertrag bildete den Kern für die Gründung des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) in Bad Honnef und die Vereinbarung halbjährlicher Konsultationen zwischen den Regierungen beider Länder. In der Folge schlossen sich informelle Treffen an. Ebenso war vorgesehen, daß sich deutsche und französische Minister, Staatssekretäre und leitende Beamte mehrmals pro Jahr treffen. Eine solche Zusammenarbeit sucht ihresgleichen in Europa; sie bildet eine grossartige Chance für das gegenseitige Kennenlernen und die Förderung des Verständnisses von "Standpunkten, Reaktionen, Mentalitäten und Intentionen".


Ein Rückblick auf die Siebziger Jahr fällt eher enttäuschend aus für die deutsch-französischen Beziehungen. Während die von Willy Brandt geführte Ostpolitik versuchte, die Bundesrepublik nach Osten hin zu öffnen - vor allem zur DDR - fragte sich Frankreich, welche Auswirkungen diese neue deutsche Politik auf die europäische Einigung haben könnte. (Unterzeichnung des Grundlagenvertrages zwischen der Bundesrepublik und der DDR am 21. Dezember 1972).

Pierre Wermets 1970 gemachter Vorschlag einer vollständigen europäischen Wirtschaftsunion stößt wegen der Ölkrise an seine Grenzen; der Rückzug auf die eigenen Probleme gewinnt in der EWG die Oberhand. Die einzige gewichtige Ausnahme war die Schaffung des Europäischen Währungssystems (EWS) am 13. März 1979, die auf eine gemeinsame Initiative des französischen Präsidenten Valérie Giscard d'Estaing und des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt zurückging.

Die Unterschiede in der Wirtschaftspolitik zu Beginn der Achtziger Jahre schien die beiden Länder deutlich voneinander zu entfernen. Doch der Verbleib Frankreichs im EWS und die Rede des neuen französischen Präsidenten Mitterrand im Bundestag (1983), in der er die Position des Bundeskanzlers Helmut Kohl in der Frage der atomaren Nachrüstung unterstützte, ließen eine fruchtbare Zeit in den deutsch-französischen Beziehungen anbrechen.
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Trotz dieser Fortschritte treten Probleme während der deutschen Wiedervereinigung auf, die Bundeskanzler Helmut Kohl mit Nachdruck verfolgt. François Mitterrand drückt gewisse Unsicherheiten aus, die er jener historischen Wende gegenüber empfindet, gegründet auf einer falschen Einschätzung der Stimmungslage in Deutschland und Europa. Der deutsche Bundeskanzler seinerseits befragt seine Partner nicht zu dem von ihm vorgelegten 10-Punkte Plan zur Verwirklichung der deutschen Einheit im November 1989. Der Schleier, der sich daraufhin über die deutsch-französischen Beziehungen legt, wurde aber nichts desto trotz wieder vertrieben und Bundeskanzler Kohl beruhigte seine Partner durch die Erklärung, daß „die deutsche und die europäische Einheit zwei Seiten derselben Medaille" seien.


Dieses Einvernehmen zeigt sich wieder, als Mitterrand und Kohl in einem gemeinsamen Brief vorschlagen, zu der im Vertrag von Maastricht vorgesehenen Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion einen politischen Teil, vor allem die Schaffung einer „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" (GASP) hinzuzufügen. Sie bringen dadurch ihre Überzeugung von einem Europa zum Ausdruck, das mit einer Stimme spricht. Das deutsch-französische Tandem beweist dadurch einmal mehr seine Fähigkeit die europäische Einigung voranzubringen.

Die Verwirklichung dieses „politischen" Europas stellt die beiden Staaten weiterhin vor schwierige Aufgaben und beim Ausbruch des Krieges in Ex-Jugoslawien, wie 1991 beim Golfkrieg, haben beide die gleichen Probleme eine gemeinsame Linie zu erarbeiten.


Doch diese Ereignisse treffen nicht die Fähigkeit der beiden Staaten, gemeinsame Initiativen zu ergreifen. Im Mai 1992 entschließen sie sich das Eurocorps zu gründen, das als Vorläufer einer europäischen Verteidigung eingeschätzt wird, und ARTE, der deutsch-französische Fernsehkanal, beginnt zu senden.
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Am Ende von zwei Amtsperioden und später beim Tod Mitterands bleibt das Bild des französischen Präsidenten wie er am 11. November 1984 in Verdun Hand in Hand mit dem deutschen Bundeskanzler vor einem Grabe steht, am nachdrücklichsten im kollektiven Gedächtnis Frankreichs haften.

Auch heute noch plagen Deutschland und Frankreich Zweifel darüber hinaus wie ihr „gemeinsames Schicksal" gestaltet werden soll. Allerdings stellt dies die im Laufe der letzten Jahrzehnte geschmiedete Freundschaft zwischen den beiden Nationen nicht in Frage, denn Antworten können sie nur gemeinsam finden.


Einmal mehr nahmen Jacques Chirac und Helmut Kohl die Gelegenheit wahr ihre Zusammenarbeit zu intensivieren, indem sie am 9. Dezember 1996 anläßlich des Gipfels von Nürnberg ein deutsch-französisches Sicherheits- und Verteidigungskonzept definierten. Viele Fragen sind freilich noch offen. Beweis genug dafür, daß es darum geht in den deutsch-französischen Beziehungen auf sicherlich neue Art und Weise voranzukommen, das heißt, daß es an der Zeit ist, den Konzepten einiger Weniger den Genius der großen Masse hinzuzufügen, und zwar auf beiden Seiten des Rheins.



Die vorzeitigen Neuwahlen in Frankreich im Jahr 1997 ergaben eine Mehrheit aus Sozialisten und Grünen in der Nationalversammlung. Dadurch wurde die dritte Cohabitation in der 5. Republik provoziert. Lionel Jospin wird zum Premierminister gewählt. Im September 1998 findet in Deutschland ein Regierungswechsel statt: Die SPD gewinnt mit Gerhard Schröder die Bundestagswahl.


Er wird am 27. Oktober 1998 zum Bundeskanzler gewählt. Diese neue Konstellation hat die die deutsch-französischen Beziehungen sicherlich beeinflusst, nicht zuletzt wegen gewisser politischer Affinitäten zwischen dem SPD-Bundeskanzler und dem gaullistischen Staatspräsidenten. Aber dies hat ziemlich starke Spannungen zwischen beiden Ländern anlässlich des von Frankreich präsidierten Nizza-Gipfels nicht verhindern können. Dieser Gipfel hat die unterschiedlichen Positionen von Frankreich und Deutschland in Bezug auf die europäische Einigung aufgedeckt. In der Folge haben beide Seiten vereinbart, ihre Positionen künftig systematisch schon im Vorfeld abzustimmen, damit sich solche Konfliktsituationen nicht wiederholen. Dies hat beispielsweise im Januar 2003 -anlässlich eines informellen Treffens - zur gemeinsamen Initiative von Präsident Chirac und Kanzler Schröder geführt, mit der sie einen Vorschlag über die zukünftige institutionelle Struktur der Europäischen Union vorlegten.


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